So, ich bin bald fertig hier. Alles in allem kann ich sagen dass das ganze mir nicht wirklich was gebracht hat. Wenn, dann so viel, dass ich hier mehr spreche, früher aufstehe und regelmässig esse. Wegen der Pandemie fielen manche Anwendungen aus, wie Schwimmen und Singen. Über Singen bin ich gar nicht böse, Schwimmen finde ich schade, den Schwimmbecken darf ich allein garnicht benutzen. Die sind hier alle freundlich und bemüht, es ist aber primär eine Parkinson-Klinik und alle gehen von Parkinson aus, Ärzte und Therapeuten. Aber eine reine MSA-Klinik gibt es nicht – zumindest nicht dass ich wüsste. Die MSA-Patienten, die auf Parkinson-Medikamente reagieren haben hier Glück. Unsere Krankheit kommt eben Idiopatischen Parkinson am nähesten, es heisst auch „Atypisches Parkinson“. Die Ärzte hier wissen zumindest von uns, und dass ist schonmal etwas, aber helfen können sie uns auch nicht. Was etwas nervig ist, allen zu erklären, Patienten wie Therapeuten dass ich kein Parkinson habe, und was Multisystem Atrophie eigentlich ist. Ich sag dann man stelle sich vor, Parinson und ALS haben ein Kind, oder es ist wie Parkinson nur viel schneller, mit mehr Symptomen und tödlich. Die andere Patienten sind dann auch etwas verwirrt, für sie ist bis jetzt Parkinson am schlimmsten, und jetzt sehen sie das es was schlimmeres gibt. Uns gegenüber können die sich auch schlecht klagen, denn wir würden gerne mit denen tauschen.
Es wurde bei mir Dopamin erneut versucht, bewirkt hat er immer noch nichts, also es wird wieder abgesetzt. Wegen dem niedrigen Blutdruck bekomme ich etwas, dass ich vor allem morgens nicht so wie Vogelkacke in der Luft bin. Und noch ein Medikament bekomme ich (will den Namen hier nicht nennen) wovon meine Neurologin eigentlich abgeraten hat. Ob das jetzt gut oder schlecht für mich ist, weiss ich nicht. Man lerne: Ärzte haben eigentlich auch keine Ahnung.
Ich wünschte hier eigentlich mehr Anwendungen, die Therapie ist allerdings hier mehr auf Medikamenten-Optimierung angelegt, nicht auf Bewegung und Aktivität. Die Einzel-Krankengymnastik-Stunden waren jedoch gut und nützlich und ich habe was dazu gelernt. Die waren nur zu kurz. Zuhause mache ich eigentlich mehr, und habe mit meine Therapeuten eine auf meine Bedürfnisse zugeschnittenes Programm. Ich mache in Eigenregie auch mehr, während ich hier eigentlich nur auf den nächsten Programmpunkt warte.
Für Kassenpatienten gibt es hier Doppelzimmer, Einzelzimmer gibt es wenn man draufzahlt. Doppelzimmer sind für MSA-Patienten nicht so optimal, sie können von dem Zimmernachbarn nachts gestört werden und wir wissen wie schlechter Schlaf am nächsten Tag auswirkt. Genau so kann man den Zimmernachbarn selbst stören, viele MSA-Patienten sind im Schlaf unruhig „randalieren“ und geben laute Geräusche von sich, was den anderen stören kann. Ich hatte das Glück, dass über die Feiertage die Klinik wenig frequentiert wurde, ich war die meiste Zeit allein im Zimmer. Ich finde solche ruhige Zeiträume auch besser, dadurch dass es wenige Patienten da sind, haben alle mehr Zeit und Aufmerksamkeit für einen. So wie ich erfahren habe, ist hier im Sommer voll belegt und sehr viel los.
Doppelzimmer für Patienten mit Begleitung sind praktisch. über die Feiertage waren auch viele Paare hier gewesen. Allgemein sind hier Begleitpersonen üblich. Patient auf Überweisungsschein, der Begleiter auf eigene Kosten. Besucher sind zur Pandemie-Zeiten nicht erlaubt, es gibt strenge Auflagen, Maskenpflicht und wöchentliche Tests, was ich gut finde. Post kann man jedoch hierher schicken, manche haben ihre Weihnachtsgeschenke hier per Post bekommen. Das Haus kann man verlassen, die Landschaft ist sehr schön, man kann Spaziergänge machen und Einkaufsmöglichkeit ist auch in der Nähe.
Apropos Patienten mit Begleitung. Ich habe hier oft beobachtet wie liebevoll Partner sich um ihre Gatten kümmern. Manchmal sind sie auch etwas entnervt „Herbert, mach doch mal dieses und jenes“ – was man auch nachvollziehen kann. Ich war die ganze Zeit hin- und hergerissen und konnte mich nicht entscheiden was besser ist, allein zu sein oder in Begleitung. Denn manchmal wünsche ich mir auch, es wäre jemand da der runtergefallene Sachen aufhebt, mein Koffer packt, mein Bett macht oder mein Schnitzel in mundgerechte Stücke schneidet. Ich habe aber trotzdem ein Anliegen an Begleiter, Partner und Pflegende; auch wenn euer Schützling Euch nochmal Leid tut und vieles oft nach Quälerei aussieht, lasst ihn oder sie machen, lasst ihn oder sie runtergefallene Dinge hochheben, etwas holen oder ihr Essen schneiden – auch wenn die Sauerei vorprogrammiert ist, das ist alles Übung, Aktivität und Bewegung. Patienten machen Dinge oft falsch, führen Dinge fehlerhaft aus. Egal! Hauptsache die machen es. Ihr könnt sie liebevoll korrigieren und helfen auch wenn das manchmal nicht früchtet. Nicht den Geduld verlieren! Ich habe es leider oft gesehen dass der Patient den Mut und Ehrgeiz verliert, was auch verständlich ist, und lässt sich einfach bedienen frei nach dem Motto „das kann ich eh nicht“. So verliert man seine Fähigkeiten schneller.
Auf alle Fälle freu ich mich auf meine vier Wände jetzt, ich fange an zu packen, das kann bei mir dauern.