Es war Anfang Dezember vier Jahre dass der Nikolaus mir die Diagnose in die Schuhe geschoben hat. Ich muss ja furchtbar unartig gewesen sein. Ich werde diesen Schock von damals nie vergessen. An diesen Tag war mein Leben, wie ich es kannte, zu Ende, und seit dem wird das Rest-Leben immer weniger und weniger. In rasanten Tempo.
Das Schreiben fällt mir inzwischen so schwer, das ich kaum schreibe. Meine Handschrift ist schon länger unleserlich, aber das Schreiben am Computer ist inzwischen auch sehr ermüdend und zeitraubend.
Ich habe früher immer gedacht, mit Sport, Übungen und Bewegung halte ich diese blöde Erkrankung im Griff. Mit richtigen Ernährung und ganzheitlichen Medizin. Heute sehe das etwas anders. Aktiv sein hilft sicher und zögert das Fortschreiten aus, allerdings weiss man nie was morgen passiert, wie heftig, und ob das jetzt so bleibt. So habe ich auf einen Tag aufs andere meine Gehfähigkeit verloren. Ich war noch auf den Beinen, und während einen nächtlichen Toilettengang fiel mein Blutdruck ins bodenlose, und damit ich in Ohnmacht. Eine schicke Platzwunde am Stirn ist mir davon als Erinnerung geblieben. Und seit dem bin ich im Rollstuhl. Was das eine mit dem anderen zu tun hat, weiss ich nicht. Öfters habe ich gehört, dass nach einschneidenden Erlebnissen, Krankheiten oder Notfällen, immer etwas zurückbleibt, das ganze bringt meisten einen Rückschritt mit sich.
Inzwischen habe ich viele Symptome, und etwas dagegen zu tun, wird immer mühsamer. Der Schwindel, die Kraftlosigkeit und die Schmerzen, machen ein Strich durch alles. Was ich jedoch mit erstaunen feststelle das nichts ist so schlimm, wie die seelischen Leiden. Dieses Toben und Verwüsten dieser Krankheit in den Körper, wie die Krankheit das eigene Körper zersetzt, das Ausgeliefertsein, die Hilflosigkeit und der Zerfall, ist schlimmer als jeder Schmerz. Für mich zumindest. Den Vertrauen in eigenen Körper zu verlieren, war für mich das Schlimmste. Und jetzt kommen zu körperlichen Versagen auch die Sinne und auch die Kommunikation dazu. Sich selbst nicht mitteilen zu können, ist das schlimmste was ich je erlebt habe. Mit Müh und Not geht das noch, es ist zwar extrem anstrengend und zeitraubend, es ist aber absehbar wie es ausgeht. Die Kraft fehlt einem um sich überhaupt bemerkbar zu machen, an einem fließenden Unterhaltung teilzunehmen, ist nicht mehr möglich. Vieles läuft nur noch in den Gedanken ab. Ich habe in Gedanken eine Menge Blogbeiträge verfasst, viele Gespräche geführt und unzählige Briefe geschrieben. Es ist echt eine schlimme Bestrafung, wenn das Gehirn schneller ist als die Finger oder die Zunge.
Der Vergleich was ich vor vier Jahren könnte, und was ist daraus geworden ist niederschmetternd. Ich bin null multitaskingfähig mehr. Dabei das könnte ich perfekt. Mittlerweile kann ich nur noch eine Sache auf einmal. Ich kann zB. nicht gleichzeitig mein Rollstuhl lenken und jemanden zuwinken. Zum Winken muss ich stehenbleiben. Wenn gleichzeitig mehrere sprechen, verstehe ich kein Wort mehr. Ich könnte hier seitenweise schreiben, angefangen damit dass ich vor vier Jahren von A nach B gehen konnte, oder fähig war einen Satz verständlich zu artikulieren. Oder ich konnte leserlich meinen Namen schreiben.
Oft kommt in mir die Frage nach Kämpfen auf. Ja, wir werden oft von den anderen, vor allem von geliebten Menschen als „Kämpfer“ gesehen. In diese Rolle sehen wir uns auch gerne. Wir kämpfen auch tagein und tagaus. Gegen die Symptome, um die beste Version von uns zu zeigen. Wir raffen uns immer aufs neue auf um unsere Übungen zu machen. Wir kämpfen gegen Windmühlen. Kampf braucht auch einen Sinn. Und hier gibt es keinen. Ich frage mich ob ich das Kämpfen müde bin? Ich habe nur keinen Lust um irgendwas zu kämpfen was man nicht messen kann. Ich gehöre nun mal nicht zu den Menschen für die „zwei Tage länger leben“ ein Ziel ist. Mich langweilt dieses „ein Schritt vorwärts, zwei zurück“. Wobei „ein Schritt nach Vorne“ schon zu wenig ist.
Alles in allem, mir läuft auch die Zeit davon, so sind auch einige Wünsche übriggeblieben, wofür ich mich gerne einsetzen würde. Für die zukünftige Generation. Wie zB. eine Patientenvereinigung. Ein gegründetes Verein. Denn die Interessen von MSA-Erkrankten zu vertreten über ein Verein ist immer einfacher. Dann hätte ich gerne noch erlebt, das frisch diagnostizierte MSA-Patienten (oder Atypische-Parkinsonpatienten allgemein) ab sofort nach Diagnose 100% GdB bekommen, automatisch mit aG, denn erleichtertes Parken ist für die Patienten essenziell so lange die noch fahren. Damit das ewige Kampf um die blaue Plakette aufhört. Es muss an entscheidende Stellen klar gemacht werden, Fahren ermöglicht automatisch ein autarkes Leben und eröffnet die Möglichkeit das Patienten sich selbstbestimmt bewegen können. Dann wünschte ich eine Schulung der MDK, damit man nicht um Pflegegrade kämpfen muss, damit die verstehen was ein sich schnell fortschreitende Erkrankung bedeutet. Dass die sich für den Stand „jetzt“ interessieren, okay, kann man verstehen, für eine „normale“ Erkrankung. Aber nicht für uns, unser Stand sich schon morgen bedeutend verschlechtern. Pflegegrad 5 nach Diagnosestellung? Mir erscheint das nicht unangemessen. Überhaupt die Schulung von Medizinischen Personal fände ich wichtig. Ich kann akzeptieren dass MSA allgemein nicht so bekannt ist, aber medizinisches Personal, Ärzte und Entscheider sollten darüber bescheid wissen. Ein standardisierung der Diagnose-Mitteilung wäre unglaublich Wichtig. Da muss Patienten und Ärzten geholfen werden. So eine Diagnose zu bekommen und auch mitteilen ist nicht ohne. Wie das verfasst und mitgeteilt wird, dürfte nicht die Angelegenheit von jeweiligen Arzt sein, und der Patient müsste aufgefangen werden. Das alles ist sicherlich ein langer Weg, aber jede/r kann dazu beitragen die Krankheit bekannter zu machen. Flyer zum auslegen, sind bei unserer Nachfolgerin in der Arbeit! Toll! Außerdem, was ich elementar wichtig fände: eine Beratungsstelle. Wenn ich an die ersten Tage Verzweiflung nach meine Diagnose denke… So eine vernichtende Diagnose zu bekommen ist schon niederschmetternd genug, wir müssen uns auch noch mit Existenziellen Problemen beschäftigen. Was man machen muss und wie, und wozu man Berechtigung hat, dies alles an eine Stelle zu erfahren, wäre eine enorme Erleichterung.
Wie man sieht, diese Erkrankung beherrscht irgendwann das ganze Leben. Der Elefant ist in dem Raum. Irgendwann permanent.
Liebe Marta, – danke für diese eindrucksvollen Zeilen die ich auch als Angehöriger wiedererkenne. Was soll ich sagen ? Ich stehe machtlos da und eigenes Erleben im Umgang mit meiner Patientin „Rita“ ist wieder präsent.
Alles Gute für Dich !
Ich denke dass Du mit der Veröffentlichung in meiner Gruppe „psp.bodensee“ einverstanden bist !(?)
und grüße Dich ganz herzlich aus Salem – Klaus
Danke Klaus! Und danke fürs teilen!
Bei mir wurde die Disgnose C erst kürzlich gesteĺlt.Ich wüsste gern von Martha wie lange noch ein eigenständigedes Leben möglich ist ?
L
Das ist schwer zu beantworten da die Verläufe unterschiedlich sind. Ich dachte auch dass bei mir länger möglich sein wird, aber ich komme auch langsam an meine Grenzen. Ich glaube, es ist wichtig diesen Moment zu erkennen und Hilfe holen. Hilfe holen ist generell wichtig. Und auf Sicherheit achten. Man muss berücksichtigen, dass es sich um eine schnell verschlechternde Krankheit handelt, man muss immer ein Plan B haben und Momente in Kauf nehmen die vielleicht nicht so elegant sind, wie zB. auf mal allen vieren zur Toilette robben. Und auch bisschen stur sein 🙂 Ich würde auf alle Fälle versuchen!
Liebe Marta-
danke mal wieder für deinen Bericht , ich nenne es jetzt mal so.
Ich möchte dich fragen ,ob ich ihn weiterleiten darf an z.B. den MDK ,der hier in unserer Nähe zuständig ist, an unseren Neurologen, vielleicht an unsere örtliche Zeitung, falls die Redakteurinnen daran interessiert sind etc……
Ich denke sehr oft an dich und grüße dich herzlichst-Helga
(mein Mann hat nach MSA-C Diagnose PSP, aber ich fühle mich euch auch verbunden)
Danke Helga! Danke fürs weiterleiten! Natürlich kann es geteilt werden!
Hallo Martha, unser Schicksal verlangt in der Tat viel,, fast zuviel, von uns!! in den letzten Tagen bin ich mehrfach, trotz Gegenwehr, gestürzt und nicht wieder hochgekommen. Wie eine Schildkröte….. heute Nacht um 4 Toilettendrang und mich zu sehr beeilt. Nach 2 m lag ich da und hatte Glück, dass meine Hose nicht voll wurde. habe es irgendwie zum WC geschafft und bin daneben wieder gefallen. Nochmals Glück…
Das alles in 3 Monaten nach Diagnose. Selbige ist wohl nur aufgrund der Vielzahl von Problemen entstanden. Vorher war es der Blutdruck, das kaputte Knie, Schwindel wegen Gleichgewichtsorgan im Ohr etc.. Welche Symptome hattest du bei Diagnose? Ich habe meine wohl etwas spät bekommen….
Ich habe gerade Pflegegrad 3 bekommen und 90 % SB mit aG, B und G mit Sondergenehmigung für Parken im Halteverbot etc.. Macht das Leben etwas leichter!
Hallo Rudolf! Ich hatte bei der Diagnose Gleichgewichtsprobleme, Sprachstörungen und das Schreiben war schlecht. Danke für dein Kommentar!
Hallo zusammen – Marta Danke für deinen eindrucksvollen Beitrag – und du hast so Recht mit Allem!
Leider ist meine Schwester am 24.11. verstorben – ganz friedlich unter Morphium, sie hat sich nicht verschluckt und musste nicht ersticken, wofür ich sehr dankbar bin. Der Schluckreflex war am Ende auch noch weg…ich kenne einfach keine vergleichbare Krankheit, wo man so hilflos daneben steht und dem geliebten Menschen beim Sterben zugucken muss….meine Schwester behielt ihr Würde bis zum Schluss, auch wenn sie gar nichts mehr konnte, außer mit den Augen zu sprechen…Dank Patientenverfügung wussten wir, was zu lassen war am Ende und dafür bin ich ihr sehr dankbar, da keine Entscheidungen treffen zu müssen und in ihrem Sinne handeln zu können. Sie fehlt mir an jedem Tag und ich bin sehr traurig, auch wenn ihre Schmerzen und ihr Leiden nun ein Ende hat – ich kann mir gar nicht vorstellen, was ihr so alles durch den Kopf ging die letzten Jahre und bin für jeden Beitrag von euch dankbar, denn diese Krankheit lässt mich nachwievor nicht los…
Trotz Allem wünsche ich euch – soweit es möglich ist – ein schönes Weihnachtsfest
Danke Karin, dir auch schöne Weihnachten. dein Verlust tut mir Leid, aber ich bin mir sicher, für sie ist es besser so…
Es ist so traurig ! Ich weiß gar nicht wie man so etwas verkraften kann . Bei meinem Mann wurde MSA-P im Februar 2023 diagnostiziert . Ich habe unendliche Angst davor was alles kommt .
Liebe Marta,
Du schreibst mir aus dem Herzen;das ist gut so!!!! Das ist prima!!!!!! Ich danke Dir! Ich darf doch Deinen Blog an mehrere Personen weiterleiten?( wie Helga)
Ich habe gerade mal Pflegestufe1;sber mein Zustand verschlechtert sich schnell.
Gruß und Schmerzfreiheit wünscht Dir
Uwe aus Lichtenwald in BE
Danke Uwe! Den Beitrag darfst du natürlich verbreiten, das ist ganz in meinem Sinne!
Bei meinem ersten MDK-Begutachtung habe ich 0 (NULL!) Punkte bekommen. Wahrscheinlich weil ich noch damals Auto gefahren bin. Das hat die MDK-Lady nicht verstanden dass ich dass noch selbständig kann, uns dass Auto fahren viel sicherer ist als Ubahn oder Bus zu fahren. Mit ÖVM zu fahren, habe ich schon damals Begleitperson gebraucht. Jetzt habe ich PG 4, nach 4 Jahren, und fahre kein Auto mehr…
Liebe Marta, Du bringst es wieder mal auf den Punkt!
Wie soll das Versorgungsamt auf 100 % GdB + aG für MSA Patienten entscheiden, wenn auf dem Amt ein Sachbearbeiter das festlegt, der
1. keine medizinische Ausbildung hat
2. im Klinikbericht steht „Verdacht auf“ oder bestenfalls
„wahrscheinliche“ MSA
3. dieser Mensch eine Liste von Krankheiten hat, auf der MSA gar
nicht zu finden ist (von einer Insiderin weiß ich, das nach dem
Motto – kenn ich nicht, nicht auf meiner Liste, erst mal
abgeschmettert wird)
4. die Bearbeitungszeit mehrere Monate in Anspruch nimmt
Was ich dem Amt und auch dem medizinischen Dienst wirklich vorwerfe: heutzutage wird alles im Internet nachgeschaut und sich informiert – das gilt für die Herrschaften bei der Begutachtung anscheinend nicht. Man geht den schnelleren und bequemeren Weg und lehnt erst mal ab.
Seit 18 Monaten kämpfe ich um ein aG im Schwerbehindertenausweis meines Mannes (er selbst wäre dazu gar nicht mehr in der Lage), auch der hochgelobte VDK hat uns nicht wirklich weiter geholfen. ICH BIN ES SO UNENDLICH LEID!
Ja, es wäre super eine zentrale Anlaufstelle zu haben, die sich um solche Dinge kümmert, und nicht jeder diesen Kampf wieder neu ausfechten muss. Dafür werde ich mich einsetzen.
Diese Gruppe ist mittlerweile auch schon eine Art Beratungsstelle geworden – jeder der neu dazukommt bekommt wertvolle Tipps, sei es zum Umgang mit Behörden, Hilfsmitteln – und neuerdings auch zu Urlaubsreisen. Es tut unglaublich gut sich austauschen zu können. Jeder weiß wovon der andere spricht – niemandem muss man etwas erklären.
Die Gründung eines Vereins ist nicht einfach und zeitaufwändig. Das kann ich nicht bewerkstelligen – jedenfalls nicht allein. Wer sich beteiligen kann und will bitte melden unter info@leben-mit-msa.de.
Das wars für heute. Nochmals danke für Dein Vertrauen Marta – I`ll do my very best!
Ich danke dir Silvia!
Ja, ein Verein gründen ist aufwendig! Das muss sich jemand reinlegen und die Zeit nehmen. Auf alle Fälle kein Patient und kein Angehöriger. Jemand der Zeit hat, und engagiert ist.Diese Mensch muss erstmal gefunden werden.
Die Beratungsstelle muss mit Freiwilligen besetzt werden. Ich dachte eine telefonische Beratung, oder online. Menschen die ein paar Stunden pro Woche investieren können. Ja, in diese Gruppe ist schon ganz viel Wissen vorhanden, sowas wie ein Wissensdatenbank sollte erstellt werden.
Für den Rest sollte man Petitionen machen. Politiker angeschrieben werden.
Ja, es ist oft nerig. Mir wurde aG 4mal abgelehnt und bis ich es bekommen habe, war schon zu spät. So ist es oft mit vielen…
PS. Das sind nur meine Wünsche, kein Wunschzettel an dich! Was du so schon machst ist super!
Guten Tag Silvia,
wenn ich eure Beiträge lese, dann wird mir erst bewusst, wieviel Glück ich habe!!
Ich hatte erst Pflegegrad 2 seit März 22 und habe im September die Höherstufung beantragt. Im November tel. Begutachtung und zwei Tage später die 3 bewilligt.
Begleitend dazu die Änderung der Schwerbehinderung von bisher 50 (wegen Asbestose, Herz und kaputten Knochen nach Unfall) mit Merkzeichen aG, B und G beantragt. Dann der übliche Weg mit Arztberichten, Ärzte anschreiben etc.. Mein Neurologe hat die aG und B begründet, die Diagnose ließ kein Zweifel
( Befund: Klinisch gesicherte MSA.. der UNI-Klinik nach 14 Tagen Untersuchungen). Der Bescheid kam: 90% SB und die Merkzeichen aG, B und G mit Sondererlaubnis Parken überall). Angesichts eurer Schilderungen (Auch Marta) hatte ich keine Probleme. Möglicherweise ist das vom behandelnden Neurologen nicht richtig dargestellt worden. Meiner hat sogar hilflos geschrieben!!!
Das größere Problem ist die Unkenntnis zu dieser Krankheit. Beispiel: Ich wurde zuerst auf A-Parkinson behandelt und habe das meinem Urologen auch so mitgeteilt. Nach der MSA-Diagnose wieder zum Uru und habe das erneut mitgeteilt. Seine Antwort: Na, Gott sei Dank kein Parkinson…. So geht`s bei den allermeisten Ärzten. Es müssten eigentlich zwei Wege geschaffen werden: 1. Die Information zu SMA und deren schreckliche Auswirkung für die Ärzte und zum 2. eine Anlaufstelle für Betroffene mit Informationen zur Krankheit, Perspektiven und Hilfsmöglichkeiten. Das ganze am besten von offizieller Seite. Aber denen sind Panzer wichtigen als so ein paar SMA -Hansels.
Ich habe fertig…
Liebe Marta,
danke für deine Zeilen, die so eindrucksvoll beschreiben, was du erlebst, fühlst und denkst!
Vor einigen Monaten habe ich deinen und euren Blog entdeckt. All die Worte hier berühren mich sehr. Ich war ein Kind, als bei meinem Vater (es muss ca. 1998 gewesen sein) die ersten Symptome der MSA aufgetreten sind. Damals waren die Möglichkeiten sich als Betroffene und Angehörige zu vernetzen und auch virtuell zusammen zu kommen noch andere, und ich auch noch Kind und später Jugendliche. Umso mehr habe ich großen Respekt für all das, was du und Marion hier initiiert habt und spüre neben den gesammelten Erfahrungen und dem Wissen, genauso das Herzblut, was hier drinsteckt.
Ich wünsche dir so sehr, dass die Kommunikation mit deiner Umwelt und den dir lieben Menschen noch eine ganze Weile (wenn auch in anderer Weise als früher) erhalten bleibt! Alles Liebe und Gute!
Liebe Marta,
vielen Dank für die Petition für das Merkzeichen aG. Bei meinem Mann hat es mit dem aG 14 Monate gedauert. Aber für jeden neuen Antragsteller und für das Bekanntwerden dieser Krankheit habe ich sofort unterschrieben.
Auf meine Initiative haben schon ca. 30 weitere Leute unterschrieben, um uns zu unterstützen.
LG Britta
Lieben Dank dir Britta! Ich fürchte wir kriegen die nötigen Stimmen nicht zusammen…
Wie wurden denn die 50000 als Ziel festgelegt? Ganz schön viel für knapp 5000 betroffene Patienten.
Das ist vorgegeben wenn man eine Petition durchsetzen will.https://www.openpetition.de/blog/blog/2017/04/07/das-quorum-auf-openpetition
Wissen überregionale Medien und Presse von der Petition?
Nicht genug. Wir haben leider nicht genug Kontakte.
Ich habe es bei orpha-selbsthilfe im Forum reingesetzt:
https://orpha-selbsthilfe.de/forum/index.php?topic=3094.0
Der Link zur Petition ist da jetzt auch in der Rubrik MSA drin.
Sehr gute Idee! Danke!
Ich möchte nicht klagen…
Vor über zwei Jahren merkte ich, dass etwas mit meinem Gleichgewicht beim Gehen und Stehen gar nicht stimmt. Auch manche Handbewegungen fielen oft nicht wie geplant aus. Nun, Ihr kennt sie alle, die ersten Symptome, die in Wahrheit schon viel früher als nur vor diesen zwei Jahren übersehen oder von Ärzten falsch interpretiert wurden.
Was mir dann mit der Diagnose an Folgen angekündigt wurde, war durchaus geeignet, mein Leben sofort umzustellen, aufzugeben oder erst recht so zu leben, wie man es sich bislang aus moralischen oder anderen Gründen nicht getraut hatte. Fünf Kilometer Heimweg auf meinem Liegerad reichten aber, mir darüber klar zu werden, dass ich offen mit diesem „Unfall“ umgehen sollte, da meine Lieben durch mein Tun und die Veränderungen umso mehr belastet würden, je weniger sie wissen, was und warum es sich ändert. Abgesehen davon lässt sich nach einer recht kurzen Zeit sowieso das Nachlassen verschiedenster Funktionen nicht mehr verbergen.
Es war richtig so. Inzwischen kann ich selbst auf meinem kippsicheren Sololiegedreirad nicht mehr allein radeln, weil mich die vielen Sinneseindrücke des Verkehrs völlig und das permanente Strampeln immer öfter überforderten – die Ergotherapeutin meinte, ich dürfe nie mehr mit dem Rad kommen, weil sie dann nichts mehr mit mir anfangen könne. Ich fahre nach wie vor mit einem Rad, aber einer Art dreirädrigem Tandem, bei dem ich vorne liege und meine Frau hinten im Sattel alle Zügel in der Hand hält. Wenn ich nicht treten kann, mache ich Pause, der Verkehr belastet mich nicht, da meine Frau pilotiert. Abgesehen davon, dass mich das Beifahren im Auto weit mehr belastet und die aufrechte Sitzposition meinen Blutdruck in den Keller fallen lässt, ist die Bewegung an frischer Luft für Leib und Seele das Beste, was ich mir wünschen kann – Ergotherapie nebenbei!
Wir haben Spaß, sehen viele aufregende, anregende, lustige und unlustige Dinge und vergessen während jeder Fahrt regelmäßig alle Belastungen und Sorgen des Alltags. Diese Intensität und Losgelöstheit haben wir in solchem Maße erstmalig auf diesem Tandem erlebt: es ist gegenüber dem Soloradeln noch einmal um Welten entspannter.
Aus irgendeinem Grunde vollzieht sich insgesamt ein Kreis des Glücks durch Menschen, die mir derart zugewendet helfen, wie ich es als kritischer, eher Menschen ablehnender Geist noch nie erlebt und schon gar nicht erwartet hatte. Ergotherapeuten, die sich enorm engagieren, ein Neurologe, der jederzeit erreichbar wäre (ich nutze das nicht aus), Bekannte und Freunde, die auf Zuruf sofort kommen, wenn wir rufen, Ärzte im Krankenhaus, die bei den letzten zwei Noteinweisungen darum baten, nie mehr so lange zu warten, sie wären immer für mich da. In einer Uniklinik holten mich die Physiotherapeuten von sich aus in die Therapie, nachdem sie gesehen hatten, wie ich täglich unverdrossen mein Gehtraining absolvierte. Fortan durfte ich zu ihnen kommen, sooft ich wollte und alle Geräte benutzen. Ohne Verordnung oder Verwaltungsakte.
Mein Psychotherapeut hatte mir geraten, all die Dinge, welche ich bislang in unserer Ehe erledigt habe, an meine Frau zu übergeben, solange ich noch nervlich und kognitiv in der Lage sei, ihr möglichst stressfrei zu erklären, wie mein System aufgebaut war. Heute könnte ich ihn bei jedem Besuch für diesen Rat umarmen, denn er hat mir viel Angst und Druck genommen. Wir können nun in aller Ruhe gemeinsam Fragestellungen diskutieren, wenn sie einmal nicht mehr weiterweiß oder einfach nur Sicherheit haben möchte. Schließlich entstammen alle logischen und unlogischen Zusammenhänge meinem Gusto, der ganz anders funktioniert als ihr strategisches Empfinden.
In diesem Konzert der Möglichkeiten haben wir tatsächlich vergessen, Angst vor der Zukunft zu entwickeln. Wenn unser Umfeld bedenklich mit dem Kopf wackelt, nachdem sie ehrliche Auskunft auf ihre Frage, wie es uns gesundheitlich ginge, erhalten haben, wird es uns manchmal bewusst, dass wir einfach nur leben. Ob wir das mental so durchhalten, kann ich heute nicht vorhersagen. Ich weiß, dass meine psychischen Belastungsgrenzen spürbar enger werden und habe beschlossen, es immer offen zu sagen, wenn mir etwas zu viel wird. Ich weiß, dass meine physischen Belastungsgrenzen ebenfalls enger werden, und gönne mir den Luxus, „Nein“ sagen zu dürfen. Trotzdem hat auch meine Frau ein wichtiges Recht darauf, Ihre Bedürfnisse zu leben. Es gibt also keinen Grund, mich auch mal allein zu lassen (Hausnotruf), es gibt also keinen Grund, mindestens einmal pro Woche für eine Unternehmung „Ja“ zu sagen, selbst, wenn es mir gerade nicht danach ist. Auf diese Weise erhalte ich mir die schöne Illusion, weitgehend selbstbestimmt zu leben und empfinde die wachsenden Einschränkungen nicht so sehr als Belastung, sondern vielmehr als eine jeweils einzelne Hürde, die mit Akribie und Einfallsreichtum gemeistert werden kann.
Um es klar zu sagen: Bei aller Freude mit dem Dreiradtandem – es ist in Wahrheit ein komfortabler und bergab bis über 40 km/h schneller Rollstuhlersatz, den ich ohne meine Erkrankung niemals gekauft hätte. Dass dieses Ding mehr Spaß macht als alle Räder zuvor, konnte ich nicht erahnen. Meine Frau hatte den Hersteller gefunden und mich wochenlang bekniet, wenigstens einen Test zu machen. Zehn Minuten und etwas Fatalismus reichten! Sie ist es, der ich am allermeisten zu danken habe, wenn ich nicht aufgebe.
Martin