Reha am See

Ich bin jetzt 5 Tage hier, ich mache Reha in Konstanz, am Bodensee in dem Klinik Schmieder.

Ich war schon mal in Konstanz, vor 7-8 Jahren, auf einer Party auf einem Schiff, in Highheels, geschminkt, schick und in der Begleitung meiner damaligen Partner. Wenn mir damals das jemand gesagt hätte, dass ich in Jahren in ein Reha-Klinik an dem Stock, mit einer neurologischen Krankheit, wiederkommen werde, hätte ich mich schier entsetzt und vom Bord gesprungen.

Nun bin ich hier und sammle meinen ersten Eindrücke.

Ich bin mir ziemlich sicher dass ich die einzige MSA-Patient hier bin. Der Standort ist sehr schön, der See ist kaum einhundert Meter weit weg, und das Wetter meint es gut mit mir. Tägliche Spaziergänge mit Nordic Walking Stöcken sind auf meinem Plan. Der Klinik ist nunmal wie ein Klinik. Ich schätze, vor 15 Jahren war die Einrichtung sicher modern, heute würde ich sagen, es ist eher rustikal. Das ist mir soweit auch egal, wenn alles sauber ist und ich ein Einzelzimmer habe. Nun ja, in der Tat roch es hier in den ersten Tagen ungut, was sich  jetzt ändert. Entweder meine Lüftungsattacken und das exzessives sprühen mit dem Deo zeigen Wirkung, oder ich nehme es nicht mehr wahr. Die Zimmer werden täglich von der Reinigungspersonal aufgesucht, die geben sich viel Mühe (was das in einer Zeugnis heisst das  wissen wir).

WiFi gibt es, aber sehr schlecht. Zum Glück, ist mein Zimmer ein Meter vom Router weg und ich muss nicht so viel leiden, wie die anderen. Dafür habe ich Ausblick an das Raucher-Häuschen, wo es immer sehr lebhaft hergeht. Erst wollte ich umziehen, weil die mich genervt hatten, aber ich denke jetzt drüber nach, was man nicht alles tut für WiFi.

 

Der Koch hier hat bessere und schlechtere Tage. Manchmal denke ich, der hat aber schlecht geschlafen und dann wächst er über sich hinaus. 

Gestern hatte ich einen Vortrag über Ernährung, was vielen sicher nützlich war, ich habe nichts neues gehört. Es wurde auch nicht auf das Qualität der Nahrungsmittel eingegangen, was ich sehr schade fand. Wir Deutsche sind Weltmeister darin das billigste Nahrungsmittel zu kaufen, die Dichte der Diskount-Einkafshäusern ist Europweit bei uns am größten. Urlaub, Auto, Klamotten, Möbel, alles ist wichtiger, als das was wir in unser Körper reinstopfen. Wobei es heisst „Du bist was Du isst“. Fleisch aus Massentierhaltung vollgepumpt mit Antibiotika (hat das mal jemand je gefragt, was mit den restlichen Hähnchen passiert, da bei uns hauptsächlich nur das Brustfleisch landet. Wo ist denn der Rest?), Fisch aus Aquakultur. degeneriert und künstlich ernährt voller Kunststoff und Mikroplastik, Obst und Gemüse scheinen ewig haltbar zu sein, dank Chemikalien, etc.

Auf alle Fälle, ich habe noch nie so viele Rollstuhlfahrer und Rollatoren, auf einem Haufen gesehen wie hier. Man fällt eigentlich auf, wenn man keine Gehhilfe benutzt.

Letzte Woche passierte wahrlich nicht viel, es gab überall „Kennenlern-Termine“. Und Vorstellung bei der Ärztin, die tatsächlich MSA kennt, sie war sehr zugewandt und freundlich. Ich hatte heute meine erste Visite, die haben mich sogar gefragt, ob ich mit meinem Wochenplan zufrieden bin! Abgesehen von bisherigen Seminaren zum Thema Ernährung, Belastbarkeitsminderung und Stress, ist alles Sinnvoll. Bei diesen Vorträgen werden Hauptsächlich MS-Kranke oder Schlaganfall-Patienten behandelt, die hier sicher im Mehrzahl sind. Für mich ist da leider nicht viel dabei, ich quäle mich eigentlich durch den Vortrag und meine Belastbarkeitslimit wird überschritten.

Die Therapeuten sind unterschiedlich, manche geben sich sehr viel Mühe und sind Kompetent und Hilfsbereit, manche haben keine Ahnung. Mein Physiotherapeut ist z.B. super, ich habe aber auch die Erfahrung das jeden Rollstuhlfahrer mehr Aufmerksamkeit gewidmet wird als mir, ich sehe ja im sitzen nicht krank aus, ich wanke nur ein wenig – so nehmen es andere wahr.

Es sind viele Gruppentherapien, wo der jeweilige Therapeut vom Krankheitsbild keine Ahnung hat. Das muss man akzeptieren, für sich sprechen wenn nötig – ich werde z.B. demnächst ansprechen dass ich mehr für das Gleichgewicht tun möchte – und bis dann das beste machen, aus dem Angebot. Treppen sind im Haus viele, man kann in seiner Freizeit üben, draussen Spazieren gehen mache ich auch im Eigenregie, es sind auch mehrere MOTOMeds die hier rumstehen, also wenn man es will, kann man die Zeit sinnvoll füllen. 

Also fünf Tage hintereinander rausgehen, haben mir schon geholfen, mir geht es jetzt schon etwas besser, vor allem wegen der Kanada-Reise habe ich ausgesetzt und mich ein wenig vernachlässigt. Aber das hätte ich auch ohne Reha hingekriegt. 

Ich muss aber zugeben, dass beim Walken, die viele unangeleinten Hunde etwas nerven,  auch wenn ich von Hunden keine Angst habe. Allerdings, jetzt würde mich sogar ein freundlicher Pudel umschmeissen. Man muss auch die viele Händchen-haltende Paare aushalten, vor allem, wenn die eigene Beziehung die Krankheit auflöste. Aber, wie eine gute Freundin von mir sagte, man muss mit diesen Dingen umgehen, sonst darf man bald nicht vor der Türe gehen.

Was mir sicherlich gut tut, ist die Entfernung von dem eigenen Briefkasten und von dem ganzen Papierkram und die Nähe an das Wasser (ich habe am Sonntag einen Kitesurfer gesehen!)

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