Reise, Reise

Jetzt habe ich eine ganze lange Zeit nichts mehr geschrieben. Das hat mehrere Gründe: erstens, strengt mich das schreiben sehr an. Ich bin sehr langsam geworden. Und statt ehemals Zehnfingertippen jetzt die „Mafia Methode“, also jede Minute ein Anschlag. Bis ich jetzt eine Seite geschrieben habe, das dauert ewig. Ausserdem ich mache unheimlich viele Tippfehler, und ich muss alles mühsam nachträglich korrigieren. Meine Augen sind auch extrem schlecht geworden, ich kann normale Texte garnicht lesen. Das Doppelsehen macht auch alles schwieriger und ermüdet schnell. Hinzu kommt, dass der Verlust von Marion mich ziemlich runtergezogen hat, das alles ging mir zu schnell… Die wahre Ursache ist aber, dass ich den eigentlichen Grund und den Vorhaben, warum wir eigentlich diesen Blog ins Leben gerufen haben, nicht entsprechen mehr kann. Ich bin mit der Realität konfrontiert.

Inzwischen ist der Blog, Stammtisch und WhatzApp-Gruppe vererbt an Silvia, Gastbeiträge werden folgen etc. Marion ist nicht mehr da, und ich werde gesundheitlich immer schlechter. Wendet euch an Silvia, wenn ihr etwas braucht, sie kümmert sich liebevoll um eure Anliegen. Ich bin jetzt so eine Art Gast im eigenen Blog.

Der ursprüngliche Anliegen dieser Blog war, zu zeigen, dass das Leben mit MSA doch noch vieles bietet und lebenswert ist. Inzwischen tue ich mit diesen Vorhaben schwer. Seit den Anfang ist jetzt viel Zeit vergangen, mir geht es viel schlechter und ich bin weniger motiviert. Am Anfang dachte ich, mit Sport und Übungen halte ich die Krankheit im Griff. Nun, aktiv sein hilft schon, aber es ist trotzdem, ein Schritt vorwärts und zwei rückwärts. Man baut trotzdem ab, egal was man macht. Vielleicht etwas langsamer. Man muss also für das bisschen Leben, die übrig bleibt, verdammt viel machen. Und das zermürbt, irgendwann hat man keine Lust. Und der Grund ist also, ich will nicht demotivieren.

Jetzt muss ich aufpassen, ich tippe jetzt so langsam, das ich manchmal mitten im Satz vergesse, was ich sagen wollte… Furchtbar, innerhalb kürzester Zeit bin ich zum alten Frau geworden. Optisch und auch vom Wesen her.

Ich habe schon das Gefühl, dass es in den letzten Jahr schneller Berg ab geht. In den ersten drei Jahren war der Verlauf viel langsamer. Bemerkbar sind das Gehen und Sprechen. Inzwischen kann ich nur ein paar wenige Schritte machen, mit Rollator. So sitze ich nun im Rollstuhl. Ich habe jetzt grade die Erfahrung gemacht, das dieses „behindertsein“ auch Erfahrung braucht. In der Menschenmenge geht man verloren und man sieht auch kaum was. Man wird eben kleiner, das ganze Leben wird kleiner…

Das Sprechen ist wirklich doof. Der Logopäde macht auch inzwischen Sachen, die Schluckstörungen vermeiden sollen, die Mimik erhalten und ähnlich, wobei ich einfach nur normal reden möchte. Ich bin sehr langsam, auch in den Bewegungen wie auch im artikulieren, und leise. Immer mehr fragen die Gesprächspartner nach „Wie bitte?“. Telefonate vermeide ich ganz. Und ein flüssiges Gespräch in der Gruppe ist unmöglich. Entweder mache ich den Gesprächsfluss kaputt, oder ich werde nicht gehört und komme nie zum Wort.

Vieles kommt noch dazu, was man nicht sieht. Schmerzen sind doof und erschweren vieles. Alles was früher eine Kleinigkeit war, ist jetzt viel schlimmer. Beine, Hüften, Oberschenkel, Kreuz, Schulter… und normale Schmerzmittel helfen jetzt garnicht. Das man unbeweglich ist, die wenig Bewegung, die man noch schafft, macht das ganze wahrscheinlich schlimmer. Umdrehen, Position wechseln im Bett ist kaum möglich, aus dem Bett komme ich nur mit Tricks. Manchmal wache ich morgens auf und bin ganz starr und alles tut weh. 

Aber es ist etwas gutes passiert! Ich war zuhause, also im Bayern, am Ammersee, wo mein Sitzbank steht. Silvia hat mir die Reise organisiert, mit dem „Herzenswunsch-Krankenwagen“ der Malteser und die Wetzlarer haben mich gefahren. Die waren ganz lieb und hilfsbereit. Vielen-vielen Dank Silvia und den Maltesern. Und allen von der Community die da waren. Danke an Professor Levin, Herr Bernhard von YAMSA e.V. und Kristina, die das alles journalistisch aufbereitet und in die Medien bringt. Der Ziel, Aufklärungsarbeit zu leisten und die Krankheit bekannter zu machen, ist somit erfüllt. Und Dank meinen Freundinnen natürlich!
Es war ganz viel los, ich bin kaum dazu gekommen sentimental zu werden. Natürlich war es nicht einfach, an den Orten zu sein, die mit ganz viel Erinnerung verbunden sind.

 

Primäre Grund des Besuchs war eigentlich, meine Sitzbank zu besuchen. Ich habe Anfang des Jahres diesen Sitzbank der Gemeinde gestiftet. Der Ursprungsgedanke war, nachdem ich mein Seebestattung organisiert habe, statt Grabstein ein Ort zu schaffen, die bleibt, an einem Ort ist, wo ich gerne war. Wo meine Freunde vorbeikommen können, wenn sie das Bedürfnis haben. Diesen Bank aufstellen lassen, war ein wichtiger Punkt an meinem Bucket List. Und so steht meine Bank seit Anfang des Jahres an dem Ammersee, und ich habe nicht gedacht, das ich es schaffe, sie mal sie zu sehen, bis dann Silvia kam und es kam doch alles anders.

 

Dann ist dieser Besuch immer gewachsen, immer mehr Menschen kamen dazu. So wurden wir eine richtige Gruppe, und ich war sehr glücklich und stolz darüber, wieviele noch gekommen sind. Am Ende hatte ich nicht mal für alle die Zeit, die ich gerne gehabt hätte. Am Abend bin ich mit meinen Freundinnen essen in meinem ehemaligen Liebligsrestaurant, und am nächsten Tag sind wir zusammen noch zum Frühstücken am See. Das Wetter war wunderschön und der See hat wie flüssiges Gold geglänzt in den kunterbunten Herbstfarben. Es war alles wunderbar, ich habe hier so gerne gelebt, mich gesonnt, gesurft, gebadet, Fahrrad gefahren, gejoggt. Perfekte Erinnerungen, nur wenn diese schiess MSA nicht wäre. Mein Exfreund nannte mich „auf der Suppe schwimmende Gemüse“ weil ich das Glück  hatte hier zu leben, und weil ich ein gutes und erfülltes Leben hatte. Nun ist die Gemüse abgesoffen.

Am  Sonntag habe ich versucht mich elegant vom Verabschieden zu drücken. Einerseits ist es schön, andererseits ich mag mich nicht verabschieden. Ich verabschiede mich jeden Tag vom etwas. Und wer weiss ob und in welchen Zustand wir uns wiedersehen.

Foto:
Birgit S.
Elke W:P:
Kerstin P.
Markus Ferber @ Malteser
Chris MagicMountain

4 Antworten auf „Reise, Reise“

  1. Liebe Marta,
    seit ich dich persönlich kennenlernen durfte, bewegt mich deine Geschichte noch viel mehr. Zu behaupten, dass ich dich verstehe wäre vermessen. Ich bin ja gesund. Aber Wolfgang ist in der gleichen Situation wie du und deshalb ist vieles für mich nachvollziehbar. Ich weiß nicht was ich dir wünschen könnte.
    Aber vielleicht noch einige schöne Erlebnisse mit deinen guten Freunden. Vielleicht noch einige Gelegenheiten wo du herzlich lachen kannst. Vielleicht den Frieden, dich an bessere Zeiten erinnern zu können.
    Herzlichst
    Gabi

  2. Hallo Martha,ich verfolge schon lange diesen Block,meine Frau hatte auch Msap ich habe sie bis zum letzten Tag gepflegt,bis zum 08.03 diesen Jahres,auf unserem 26.ten Hochzeitstag ist sie leider,aber für sie war es das beste,von mir gegangen,ich wollte sie Morgens wecken,aber da war sie schon nicht mehr da,ich hoffe sie musste nicht mehr lange leiden,was ich eigentlich nur sagen wollte,ich drücke dir,und allen anderen mehr als die Daumen das ihr es irgendwie so unbeschwert schafft bis zum Ende,diese Krankheit ist echt nicht schön,mit ansehen zu müssen wie der Mensch den mann über alles liebt immer weniger kann von Tag zu Tag bis am Ende gar nichts mehr geht und immer dünner wird,am Ende ne Magensonde bekommt die aber auch nicht wirklich hilft,ausser das Leiden verlängert,mit Augensteuerrung kommunizieren was für einen normal sterblichen Menschen schon sehr schwer ist.Ich habe alles versucht um ihr irgendwie zu helfen,aber am Ende zerbricht mann selber daran,ich drücke wirklich allen die Daumen,und allen Angehörigen wünsche ich die Kraft bis zum Ende durch zu halten,es ist ein harter langer Weg
    Bei starken Schmerzen hilft einiges nicht,meine Frau hat zum Beispiel Botox in den Fuß und Rücken gespritzt bekommen das hat ihr immer etwas geholfen,sie hat sich wirklich alle 2 Monate auf die Fahrt ins Klinikum Essen gefreut
    Wollte das einfach mal schreiben,sorry und viel viel Kraft

  3. Liebe Marta,
    schön das Alles so gut geklappt hat! Ein ganz großes Dankeschön nochmals an die Malteser und Alle die dabei waren! Es war toll Euch persönlich kennenzulernen ( und ihr habt auch mal meinen Mann gesehen).
    In einem Punkt muss ich Marta aber widersprechen: es ist immer noch Dein Blog, und der von Marion – ich bin hier der Gast! Ich hätte es niemals geschafft so etwas auf die Beine zu stellen. Solange Du da bist werde ich Dir immer wieder etwas zum Korrektur lesen schicken – auch wenn Du meinst ich muss das nicht tun. Ich danke Dir für Dein Vertrauen – Du bist ein ganz besonderer Mensch und ich bin glücklich das ich Dich kennenlernen durfte!

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