Wie lebt ihr immer weiter? 

Mit der Frage war ich konfrontiert von einer befreundeter MSA-Freundin. Keine Ahnung, dachte ich mir erst. Eigentlich ich hangle mich ein Tag zu den nächsten. Was morgen kommt, habe ich nie eine Ahnung. Das kann sein, dass ich morgen mit einer Laune aufstehe, wo ich mich selbst nicht ausstehen kann. Das kann von traurig bis wütend alles sein, oder ich kann auch in Selbstmitleid zergehen.

Was ich allerdings festgestellt habe, heulen lohnt sich nicht. Davon gibts Kopfschmerzen und davon wird nur die Erde nass. Scheiss auf die Falten, die gibt es auch, die tun aber nicht weh.

Bis jetzt,  jedes Mal wenn ich in die Stadt fuhr, habe ich einen in die Magengrube geboxt gefühlt, wenn mir ein Mensch aufm Fahrrad aufgefallen ist, ich eine Frau in hohen Schuhen gesehen habe, einen Greis mit Rollator erblickt habe oder einen Menschen gesehen habe, beladen mit Tüten, der also gleichzeitig gehen und tragen kann. Jedesmal wenn ich an mein Ex dachte, hätte ich heulen können und oft habe ich auch. Bis ich realisiert habe, ich erwarte nichts, ich will ihn nicht treffen, nicht in meiner Nähe wissen, der Zug ist abgefahren, bleiben nur die Kopfschmerzen.

Als ich nicht mehr ohne Hilfsmittel gehen konnte, ich dachte ich versinke in der Öffentlichkeit, mit Stock, und alle glotzen mich an. Ich gehe nicht mehr zu meinen Lieblings-Bäcker, oder Lieblings-Supermarkt… ich will vermeiden, dass die mich dort fragen, was mit mir los ist. Jetzt habe ich die Haare kurzgeschoren und ich färbe auch nicht mehr, also es kennt mich niemand von früher. Laufen mit Stock fühlt sich auch nicht mehr als ein Bußgang an.

Was natürlich nützlich ist, sich vom Event zur Event  zu hangeln. Ich sehe das ohne Kinder etwas anders, als die, mit Partner und Familie. Die mit Kinder oder Enkel wollen die eingeschult sehen oder den Examen, vor den Altar schreiten oder einen bestimmten  Hochzeitstag erleben. Ich – ohne Kinder – will zu einem bestimmten Konzert oder will eine Reise schaffen. Da ist natürlich immer diese Diskussion da, was besser ist, Familie oder allein, ich muss oft rechtfertigen warum  ich „von dem Norm abweiche“. Ich glaube, jeden nach seinen Fasson. Ich habe immer noch nicht bereut allein zu sein kann, allerdings ich kann auch nachvollziehen dass es wiederum Menschen gibt, denen es wichtig ist, das andere um einen sind. 

Es kann natürlich Familie auch Belastung sein. Ich sehe meine Familie selten, dann ist es aber anstrengend, ich möchte alle schonen, meine beste Seite zeigen, es fällt mir schwer meinen alten, selbst kranken und gebrechlichen Vater die ganze Wahrheit zu sagen. Ich kann mir vorstellen, was das für Belastung ist, den eigenen Partner oder Kinder zu sagen, dass man an einem unheilbaren Krankheit erkrankt ist. Das ist schlimm für die einen, und auch belastend für die Angehörige.

Was jetzt noch erschwerend dazu kommt, ich plane im Frühjahr umzuziehen (dazu dann später mehr), und bis dahin muss ich noch einiges loswerden. Aus meinem Leben davor. Also viele Erinnerungen, viel Nostalgie. Nicht einfach. Das was sich in einem ganzen Leben so ansammelt, weg schmeissen, verschenken, im besten Fall verkaufen. Alles was man nie wieder nützen wird; viele Paare hohe Schuhe, ein Korb voller Nagellack, Modeschmuck, Surfbrett, Photoapparat oder aber auch mein Doppelbett.

Was allerdings gut ist, dass diese Krankheit später im Leben kommt, man hat davor gelebt und jetzt „die Zeit“ über vergangenes nachzudenken. Das ist immerhin besser, als diese Möglichkeit nicht zu haben. Ich stelle fest, was ich alles schon vergessen habe, das eigene Leben ist wie ein Kino. 

Natürlich kann man diese Situation nicht schön reden, man kann sich eine dicke Haut wachsen lassen und die Dinge rational sehen. Denn wie gesagt, von Weinen wird nur die Erde nass.

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