Es fing an wie einer schöner Tag – von diesen bestialisch hohen Temperaturen abgesehen. Ich fuhr mit der S-Bahn zur meiner guten Freundin Birgit raus, die am anderen Ende von München wohnt. Erstens, ich muss und will mich bewegen und möchte Reisen üben, zweitens, sie hat mich eingeladen weil sie morgen in meine alte Heimat rausfahren muss, so können wir ihren Vorhaben und eine schöne Zeit am See gut miteinander verbinden. So bin ich zu ihr – und habe mit einen guten und netten Zeit gerechnet. Was auch nicht zu viel versprochen war. Ich hatte einen leckeren Salat bekommen, wir haben lustige Videos angeschaut und viel gekichert…. war echt eine schöne Zeit. Es war ein Mädelsabend wie früher und ich fühlte mich normal wobei mir immer mehr auffiel wie meine Sprache abgebaut hat. Ich höre mich an als hätte ich was in den Mund oder würde ich lallen. Wie dem auch sei, unser schöner Abend war zu Ende, wir legten uns schlafen, am nächsten Tag müssten wir früh raus.
Aufgewacht sind wir ganz früh und noch losgefahren bei kühlen Temperaturen. Wir haben „das Geschäftliche“ erledigt und waren schon um 9 Uhr fertig. Dann sind wir an den See raus, an den Ort wo ich früher gelebt habe, und die Erinnerungen haben mich überrollt. Ich war nach meiner Diagnose das erste mal dort. Die Menschen wurden mehr als später wurde und ich habe mich in einem seltsamen Film wiedergefunden – alle leben unbekümmert ihr Leben, baden, gehen Stand-Up-Paddeln, machen Fahrradtouren – mein Leben hat allerdings einen ganz anderen Verlauf genommen und scheint stehen geblieben zu sein. Wie ein Zuschauer fühlte ich mich die den anderen beim Leben leben zuschaut. Dazu die Erinnerung, was für ein schönes Leben ich dort für ein paar Jahre hatte. Das ganze hat mich emotional natürlich mitgenommen. Dazu kam die Hitze und auch die Tatsache dass die frühe Uhrzeiten nicht meins sind. Abgesehen von dieser emotionaler Abgleisung war es eine sehr schöne Zeit.
Was ich an meiner Freundin gerne habe, dass sie mit mir umgehen kann, auch in solchen beschissenen Zeiten. Ich habe nachträglich bei ihr geklagt, dass mir dieser Ausflug im Nachhinein mehr Traurigkeit, Nostalgie und Melancholie beschert hat als Freude. Und dass ich so schell nicht nochmal da hin will. Darauf hat sie mir etwas gesagt, was mir sehr zu denken gibt, und sie hat absolut recht „Mit solchen Situationen muss man umgehen können und den Moment geniessen lernen, sonst wird man aus seinen vier Wänden nicht raus können. Auch wenn es scheisse ist.“ Und sie hat sowas von recht. Stimmt. Das werde und will ich lernen!
Foto: Birgit S. und Marta B.
Liebe Marta,
Mit großem Interesse habe ich deine Erzählung gelesen, super! Es ist spannend, weil ich diesen Weg mit meinem Mann gegangen bin. Von Herzen wünsche ich dir noch viele schöne Momente und glückliche Jahre! Es sind keine beschissene Zeiten, wie du schreibst, stimmt nicht, du lebst völlig normal, schreibst einen Roman, kannst verreisen! Bitte unterschätze das nicht, konstruiere kein virtuelles Glück, genieße die Zeit, die du mit Freunden, mit Natur verbringen kannst. Mir hat mein Glaube an Gott geholfen, deswegen war ich nicht depressiv oder verzweifelt, obwohl gab es schwere Zeiten, ich habe meinen Mann allein bis zum Tod gepflegt, zu den Ärzten gefahren, gefüttert, gestreichelt, seine Hand gehalten, ihn was erzählt als er nichts sagen konnte. Es war keine Last, sondern Freude, wenn ich z. B. geschafft hatte, ihn satt zu kriegen weil die Schluckstörungen im Endstadium waren enorm.
Dramatisiere deine Situation nicht, mach dir keine Gedanken was morgen kommt, ich wünsche dir viel Gottes Segen!
Liebe Larissa, vielen Dank für Dein Kommentar und dein Verlust tut mir aufrichtig Leid!
Nun, mein Leben würde ich nicht als „völlig normal“ bezeichnen, denn Laufen am Stock, ständiges Karusellfahren im Kopf, schmerzen in Bein, Sprachprobleme, kein Arbeit nachzugehen und wissen was einem blüht etc. nenne ich nicht „völlig normal“. Natürlich bin ich froh dass ich noch beweglich bin, aber täglich mehrere Stunden damit zu verbringen gegen Verfall zu trainieren ist leider auch kein Zuckerschlecken. Natürlich geht es immer schlechter….
Wünsche dir alles Gute!
P.S. ich schreibe einen Blog, keinen Roman.
Liebe Marta,
Ich habe mich wiedererkannt. Ich habe schon ein paarmal solche „Filme“ ablaufen sehen. Z.B. im Schwimmbad, alle kõnnen laufen, hùpfen, ohne Schwierigkeiten Sprungtürme besteigen. In der Stadt: selbständig laufen, sogar mit mehreren Taschen links und rechts. Fahrrad fahren, mit Kleinkindern hùpfen usw. Bei Fastnachtsveranstaltungen tanzen, Polonaise machen, im Stehen schunkeln, lässig ohne Festhalten an der Theke stehen . Alles Sachen, die früher selbstverständlich waren. Und dann gibt’s noch mich: klein, krank, traurig und jämmerlich. Es gibt nur noch eins: Ich will heim!
Liebe Manuela,
ja, es gibt manchmal diese melancholischen Momente. Da fragt man nach „warum“. Ich kann nichts tröstendes sagen, denn ich bin nicht besser oder schlauer – ich weiss nur, so einfach mach ich es diesem Krankheit auch nicht… Immerhin bin ich dankbar das ich mal Sachen konnte, wie Malen, Surfen, Tanzen, Joggen, Radfahren, Schlittschuh laufen… und diese Krankheit nicht im Kindesalter ausbricht, dann wäre ich diese Erfahrungen ärmer. Die dunkle Wolken vergehen und es gibt noch Lebenswertes für uns! Zwar anders aber trotzdem…
Ich drück dich ganz herzlich, Marta