Hilfe, mein Hab und Gut geht kaputt

So allmählich gibt es in meinem Haushalt keine gesunde und heile Tasse, Teller oder Glas. Ich schaffe es mit meinem schlechten Feinmotorik und zittrigen Händen, alles kaputt zu schlagen, oder mit etlichen Verunzierungen, Rissen, Sprüngen oder Knacks zu versehen. Aus eleganten Gläsern trinke ich nicht mehr – ich habe bedenken dass ich die kaputt mache oder mir damit die Zähne ausschlage. Denn wenn ich mit dem Glas Schwung nehme, landet das Tringut oft unsanft in meinem Gesicht, auch mal in meinem T-Shirt, um meinem Hals oder hinter mir auf dem Boden. Das ist der Nachteil eines selbständigem Leben. Wenn ich etwas zum Essen mache, muss ich aufpassen, das der Pfanneninhalt nicht neben den Teller landet, wenn ich was umrühre dass der Topf nicht vom Herd fliegt… Hantieren mit heissen Sachen und Messern erfordert grösste Konzentration! Wenn ich etwas in eine Tasse giesse, aufpassen dass der Inhalt nicht daneben landet.

Essen mit Messer und Gabel ist nur bei einfachen Sachen möglich, wie bei einem Schnitzel oder Steak. Nichts aufwendiges vornehmen, vor allem nichts mit Knochen und kein Salat. Da würde das gute Stück garantiert vom Teller fliegen, und womöglich im Gesicht des Tischnachbars landen oder die Sauce in meinem Gesicht.

Lose Stücke, die ich mit der Hand zum Mund führe, können auch abenteuerlich werden, denn wer weiss ob ich meinen Mund finde. Das kann vor allem bei Kuchenstücken mit Puderzucker interessant aussehen. 

Ein Restaurantbesuch erfordert Konzentration, und es muss gut durchdacht werden, was ich bestelle. Möglichst etwas in mundgerechten Stücken. Also die Auswahl hängt nicht davon ab, worauf ich Lust habe, sondern was ich mit möglichst wenig Aufsehen essen kann. Auch nicht kleckern, natürlich. Vor allem mich selbst nicht bekleckern. Getränke bestellen, vor allem in einfachen Gläsern. Diese dann nicht umschmeissen, und möglichst geschmeidig trinken. Bevorzugt mit beiden Händen. All diese Bewegungen möglichst normal aussehen lassen. Das gelingt mir noch mit grosser Konzentration, denn wenn ich mich aufführe wird niemand mit mir ausgehen.

Wie das alles zuhause aussieht, weiss nur ich. Da landet mal das Essen oder das Trinkgut auf dem Boden und ich fluche und muss mich ununterbrochen bücken. Immer wieder geht ein Teller oder Tasse kaputt.

Also benutze ich zunehmend Kunststoffsachen – bei aller Liebe zur Umwelt. Ich trinke aus Kunststoffbecher vor allem aus dem Grund, mir selber nicht weh zu tun.

Das anziehen muss auch gut durchdacht werden. Ich weiss, wie ich früher über Bustiers den Kopf geschüttelt habe. Was sind das für Frauen, die so einen Liebestöter tragen? Jetzt, wo das BH auf- und zumachen mit den filigranen Verschlüssen zunehmend schwierig wird, verstehe ich das. Ich trage auch nichts mit Knöpfen, und Reissverschlüsse werden auch immer mehr und mehr schwieriger zu greifen. Ich bevorzuge Schuhe zum reinschlüpfen, binden wird auch problematisch, mal gelingt es, mal nicht. Eine Bluse oder Hemd zuknöpfen? Nur wenn die Knöpfe tellergross sind. Ich weiss, das dass schon vor meiner Diagnose eine Schwäche von mir war, und ich die Blusen meistens im Vorfeld zugeknöpft habe, und dann reingeschlüpft bin.

Das sind die Nachteile  wenn man vorwiegend „motorische Symptome“ hat, meine Neurologin sagt das so, meine Symptome sind eher zerebellar. Also das Kleinhirn betreffend. Vorwiegend Feinmotorik, Gleichgewicht und Sprache.

Wie lange ich meinen Haushalt alleine im Schuss halten kann, ist die Frage, aber ich will es auf alle Fälle noch eine Weile tun. Man lernt  einen „anderen Weg“ zu finden, und vor allem alles langsam zu machen.

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