Über Freundschaften und zwischenmenschliche Beziehungen

Der Umgang mit Freundschaften und Beziehungen aller Art ist schwierig, ob Familie, ehemalige Arbeitskollegen, Nachbarn oder Bekannten. Erstmal, muss gesagt werden, dass ich Verständnis habe für alle, egal wie die Reaktion ausfällt. Ich weiss auch nicht, wie ich reagieren würde wenn es umgekehrt wäre. Aber ich möchte das Thema zu Sprache bringen, dass es für mich, und vielen anderen erkrankten Personen, oft nicht leicht ist.

Schwer erkranken ist ähnlich, wie wenn ein Auto über eine Pfütze fährt (um jemanden zu zitieren und mit einem Metapher zu versuchen): alle springen zur Seite und sind verschreckt und panisch. Wer von diesen Menschen, sich wieder auf den Gehweg traut, ist ungewiss. Manche suchen einen neuen Weg und umgehen die kritische Stelle. Manche kehren zurück und hüllen sich in Regenponchos und Gummistiefel. Die wenigsten trauen sich „einfach so“ zurück, und es erfordert Mut! So ist es mit uns, und mit unseren Freunden und Bekannten.
Eine Nachricht zu erhalten, dass ein Freund, Familienmitglied oder Bekannter schwer oder unheilbar erkrankt ist, ist erstmal überfordernd. Man möchte was tröstendes sagen, eine positive Entwicklung in Aussicht stellen, es gibt aber nichts. Ein Ratschlag, dass einer mit der Situation brav umgehen soll, und aus jede Situation das beste machen, geht oft nach hinten los. Man kann auch nichts aus dem eigenen Leben herausgreifen, als Vergleich, und zu veranschaulichen, dass es einem auch schlecht geht. „Die Arbeit stresst so und dieses morgendliches Aufstehen…“ das alles hat einen faulen Nebengeschmack. Ich muss auch zugeben, dass es für den anderen auch oft schwer ist, woher sollen sie es riechen, wie es einem geht und wie er/sie angepackt werden möchte?

Aus eigener Erfahrung gesagt, es gibt Treffen die tun gut, und es gibt Treffen, wo das Ende für alle eine Erleichterung ist.

Für meine Familienmitglieder habe ich eine Art „Beipackzettel“ geschrieben, damit die wissen, wie die mit mir umgehen sollen. Das soll die Begegnung für mich, und auch für die anderen leichter machen; dass große Gruppen, und wenn alle gleichzeitig sprechen, mich überfordert, dass Menschen im Rücken mich stressen, dass wenn wir nebeneinander laufen, ich sie nie anschauen werde und das ist kein Zeichen der Unhöflichkeit, dass ich anspruchsvolle Speisen meide, die schwer zum schlucken und schwer mit Messer und Gabel zu essen sind, dass ich sitzend, frei auf einer Couch zB., einfach umfallen kann, dass meine Augen sehr lichtempfindlich geworden sind, und ich im blendenden Sonnenschein fast nichts sehen kann. Das Treppe laufen schwierig ist, vor allem nach unten, und das Rolltreppe für mich so gut wie garnicht geht. Dass ich die Nähe einer Toilette wissen will, oder wie ich zum Alkohol stehe. Und so weiter.

Ich habe das gemacht, weil ich keine lange Monologe halten will, über das eigene Gebrechen aber ich möchte diese Menschen doch informieren. Das ganze soll Richtungsweisend sein, denn es kann immer was Neues hinzukommen oder sich was ändern.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Familienmitglieder meistens mit einem sehr vorsichtig sind, oft wissen die nicht, wie die mich behandeln sollen, und dabei übersehen – unwissentlich – was wichtiges. Nach außen sehe ich ja nicht aus wie jemand der todkrank ist.

Dann gibt es die Freunde die die Krankheit ignorieren wollen, für die sieht das ganze wahrscheinlich aus, wie ein bisschen Gehschwäche. Die nicht fragen wie es einem geht (aus Angst es könne was schlimmes kommen?) und die was gewohntes mit einem vornehmen wollen, wie zB. ein Weihnachtsmarkt besuchen. Die wissen nur nicht, das dass für mich der Horror ist. Die es „cool“ finden mit 50 in die Rente zu gehen, jetzt kann man sich ausschlafen oder einen Buch schreiben. 

Dann gibt es die, die einen umsorgen, alles wissen wollen und sich ganz in den Hintergrund stellen, und sich nur auf meine Bedürfnisse konzentrieren. Die einen bemitleiden. Ich weiss nicht was schlimmer ist, die Fakten zu ignorieren oder mich zu bemitleiden. Und ich möchte auch was aus ihrem Leben erfahren!

Dann gibt es die, die sich langsam aus meinem Leben stehlen, sich immer seltener melden. Die haben vielleicht Angst, die könnten etwas sehen womit sie nicht umgehen könnten? Ganz oft sind sie mit dem eigenen Leben beschäftigt, mit den Kindern, Hausbau, Job und vieles mehr, was sicherlich Zeitraubend und stressig ist. Ganz ehrlich, ich kann diese Menschen verstehen. Ich finde es nur traurig dass die sich schlecht fühlen, statt zu sagen dass die sich schwer tun, keine Zeit haben oder was auch immer. Die melden sich immer seltener, bis irgendwann die Zeitraum zu groß ist, und ein „Hallo, wie gehts?“ doof wäre, und die dann ganz wegbleiben. Ich weiss nicht wie ich mich in solchen Situation verhalten würde. Auf alle Fälle, kann ich sagen, dass ich ein Wegbleiben verstehen kann, oder wenn was dazwischenkommt, oder die eine Pause brauchen, und ich mich auch über ein Kontakt nach langer Zeit freue.

Ich gebe zu, die Umgang mit mir ist auch nicht einfach. Ich  muss die Krankheit behandeln und kann es nicht ignorieren, doch ständig über meine eigene Beschwerden zu reden, möchte ich auch nicht.
Ich will nicht, dass ein Treffen für meine Freunde zur Tortour wird. Wenn ich allerdings zum Höhlenwandern eingeladen werde,  und nichtmal gefragt werde, wie es mir geht, dann zweifele ich. Immerhin mein ganzes Leben dreht sich um diese komische Krankheit jetzt.

Dann gibt es Menschen, mit denen es einfach klappt. Ich kann heulen, über meine Schwierigkeiten klagen, und in der selben Stunde können wir auch lachen, ein lustiges Film oder Musikvideos auf YouTube anschauen. Wo es schwerelos funktioniert, und Menschen die einfach mit mir umgehen können. Ich möchte eigentlich normal behandelt werden, und meine Persönlichkeit hat sich nicht verändert. Ich mag manchmal im heulen ausbrechen, aber ich kann trotzdem alles gefragt, und mit mir kann alles diskutiert werden.

Es schmerzt mich allerdings zu sehen, wie Menschen wegbleiben, als wäre ich Leprakrank oder manche, mit mir umgehen, als wäre ich schwach vom Begriff. Fakt ist, dass ich mich auf jeden einzelnen individuell einstelle, denn Menschen sind unterschiedlich. Um viele nicht zu überfordern, verschweige ich auch mal so manches. Das heisst, dass eine Begegnung auch für mich Arbeit ist. Dass stimmt nicht, das ich als „die kranke“ mich einfach gehen lassen kann, und der andere, „der gesunde Mensch“ soll gefälligst aus dem Finger saugen, wie er mit mir umgehen soll. Ich versuche einen Treffen so gut ich kann, für meine Freunde oder Familienmitglieder möglichst  angenehm zu machen – so gut es klappt. 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert