MSA-Patienten sind stur(?)

Ich habe  neulich einen Forumbeitrag gelesen, wo Angehörige sich beklagten wie sehr ihre Schützlinge stur sind. Dann habe ich über mich nachgedacht, ja ich denke ich bin auch stur.

In den Forum hatte sich jemand beschwert dass der Vater sich weigert „in die Flasche zu pinkeln“ und deswegen stürzt er viel auf dem Weg zur Bad. Das ist ein hohes Risiko und kein guter Weg, definitiv. Ich frage mich wie alt der betroffener Vater sei, aber ich vermute reife Erwachsenenalter. Da frage ich mich nun, ist das der Schicksal eines erwachsenen Mannes, in eine Flasche zu pinkeln? Ist das unverständlich wenn er das nicht tun will?

Nun, es ist nicht leicht für alle Beteiligten. Das Kind macht sich Sorgen wegen den Vater, die nächtliche Dringlichkeit ist doof und mir auch bekannt. Ich denke die schlafen alle nicht gut. Also ich kann den Patienten verstehen, ich würde auch eher auf alle Vieren zur Bad kriechen bevor ich in irgendwas pinkele. Was tut man in so einer Situation? Ich denke da muss man kreativ sein und gemeinsam mit den Patienten an ein Lösungsweg arbeiten, was für alle gut ist. Der Patient muss verstehen, dass seine Angehörige sich Sorgen machen, er darf aber nicht zur irgendein Lösungsweg einfach verdonnert werden.

Ich habe diese Situation nicht. Kann aber den Leid und Bürde der Angehörigen verstehen. Für Sturheit gibt es viele Gründe. Warum ist das so?

Ich gehe von mir aus. Diese Krankheit hat mir schon eine Menge genommen, ich kann schon so vieles nicht – und was bleibt, wird immer weniger. Ich will, so lange ich kann, mein Kaffe selber kochen, meine Haare selber waschen, mein Bett selber beziehen. Dass ich dabei stürzen und mich verletzen kann, ist mir bewusst. Darum passe ich höllisch auf, ich bin ja auch sonst sehr langsam.

Eben weil mir bewusst ist, dass meine Zeit limitiert ist, habe ich kein Toleranz für Dinge die mir nicht gut tun. Keine Themen bitte die mich nicht interessieren, die ich ablehne, ich kann schlecht überzeugt werden etwas zu akzeptieren was ich früher schon abgelehnt habe. Es gibt Menschen die ich einfach nicht mag – dass mich manche nicht mögen ist ja auch OK. Ich möchte nicht wegen meiner Krankheit gemocht werden „weil die arme kranke Frau“. Ich mag auch keine Kinder weil die Kinder sind, ich mag manche weil ich die einfach mag und den Rest empfinde ich nervig. Ich mag Dinge probieren bevor ich jemanden um Hilfe bitte, auch wenn das nach Quälerei aussieht. Einen Flaschenverschluss festzuschrauben ist mit Rumhampeln und Fallenlassen verbunden. Trotzdem will ich es selber machen und nicht jemanden für mich machen lassen.

Ich hatte mal eine Lumbalpunktion und danach hatte ich höllische Kopfschmerzen. Ich habe danach mehrere Tage im Bett verbracht. Jede Gang zur Toilette war eine Qual, denn den Kopf zu bewegen war unterirdisch. Jedes Mal wenn mein Gehirn den Schädel berührt hatte, dachte ich, ich muss Ohnmächtig werden. Da hat jemand – sicherlich gut meinend – vorgeschlagen einen Toilettenstuhl neben den Bett zu schieben. Ich habe dankend abgelehnt, und ich hoffe es ist mir gelungen höflich zu sein, denn im Gedanken habe ich den Menschen samt Toilettenstuhl an den Mond schiessen können. Ich? Ganz sicher nicht.

Ist das Sturheit? Wenn ja, dann bin ich sehr stur. Macht dass, das Leben meiner Mitmenschen schwer? Ich hoffe nicht. Man möchte kein Ballast sein.

Die Frage ist, wo Sturheit aufhört und Leichtsinnigkeit anfängt. Denn Leichtsinnig sollte man keinesfalls sein. Stürzen, sich zusammenschlagen oder etwas brechen, ist sicherlich das dümmste, was man tun kann. Dann wird man erst richtig zur Ballast, und eine Erholung von der Verletzung ist fraglich. Ich kam bis jetzt wenige Male in die Situation, Angst um eigene Unversehrtheit zu haben. Wenn es Hart auf Hart kommt, ich denke ich würde um Hilfe bitten, denn vom Verletzung habe ich schon Angst.

Seid nicht zu Stolz, um Hilfe zu fragen, wenn nötig, und behandelt eure Patienten nicht, als wären die schon immer so gebrechlich gewesen, und wählt nicht den einfachsten Lösungsweg, nur weil es praktisch ist. Seid kreativ. Es ist nicht einfach, zu akzeptieren dass das eigene Körper, auf einmal nicht das macht, was man möchte. Seid geduldig und nachsichtig miteinander. Der Lösungsweg muss immer für beide Parteien akzeptabel sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert