Akzeptieren?

Ich stelle mich immer wieder die Frage ob man diesen Zustand je akzeptieren kann. Durch Gespräche kommt das Thema jetzt wieder hoch. Andere sagen, die haben die Bemühung, die Krankheit zu akzeptieren, um abzuschliessen, um weiterleben zu können. Man nimmt auch Hilfe von Psychologen, Sozialarbeitern oder anderen geschulten Experten in Anspruch. Ich hatte auch am Anfang der Erkrankung einen Psychologen, ich muss aber sagen, dass das ganze mir nicht wirklich was gebracht hat, mich hat das ganze nur aufgewühlt, oft war danach der ganze Tag im Eimer…

Jetzt bin ich etwa zweiundeinhalb Jahre nach der Diagnose, ich kann aber keinesfalls sagen dass ich den Zustand akzeptiert habe. Mich erfüllt die Gedanke wie am ersten Tag noch mit Wut, ich vermisse mein altes Leben immer noch, ich bin anderen Menschen einfach nur neidisch, die Alltags-Beschäftigungen ganz selbstverständlich nachgehen. Arbeiten, Tanzen, hohe Schuhe tragen, Biken, Auto fahren, Urlaub machen, Shoppen, einfach nur eine Tüte zu tragen oder von A nach B gehen, alles was ich gerne hätte.

Der Grad des Leidens ist natürlich auch von dem auch abhängig wie alt man ist und in welchem Zustand. Was kann man noch machen und was nicht.

Man „nimmt“ diesen Zustand an, weil man es muss, es bleibt einem keine Wahl. Aber akzeptieren? Ich weiss nicht ob ich das je werde.

Träume sind ganz fies. Ich träume wie ich einen Hof überquere. Ist doch einfach. Nach dem ich aufwache, denke ich, ich muss das können. Ich habe das als Kind gelernt und ein Leben lang getan. Wo ist also das Problem? Das Gehen so schwierig sein kann, leuchtet mir gar nicht ein – rational gesehen.

Akzeptiert man wirklich? Oder tut und sagt man das seiner Familie und Angehörigen zu liebe? Ich erinnere mich, als ich meine Familie in Ungarn besucht habe, habe ich auch immer „die beste Version“ von mir gezeigt, war bemüht Dinge auf die Reihe zu kriegen und ich tat so aufgeklärt und unerschrocken die „eben mal das beste“ aus der Situation macht. Ich wollte meine Angehörige schonen und nicht erschrecken. Natürlich mache ich das Beste aus der Situation, das heisst aber lange nicht dass ich es akzeptiert habe, ich hasse diese Realität, wie am ersten Tag.

Manchmal ist das ein Segen allein zu sein, manchmal macht es mir Angst. Aber wenn ich allen bin, kann ich nämlich leiden und mich abmühen oder hinfallen wie ich es will, ohne dass meine Lieben mich mit mitleidigen Blicken aus der misslichen Lage befreien. 

Ich telefoniere immer Sonntags mit meinem Papa, ich bemühe mich immer möglichst gut zu klingen. Gerade sitzen, etwas zum Trinken bereit halten… Ich weiss nicht ob Menschen „akzeptieren“ um andere zu beruhigen. Weil wenn man nicht akzeptiert, wie ich, dann ist man wütend, traurig, neidisch, trotzig, man fühlt sich einfach ungerecht behandelt vom Leben. Oder soll man den Haupt senken und demütig akzeptieren? Ist dann vielleicht leichter? Ich weiss nicht was das leichter machen kann, Psychotherapie hilft mir auf alle fälle nicht. Ich lese manchmal in Foren dass Patienten sich erfreuen über gutes Wetter oder weil die Vögel zwitschern. Verdammt nein, ich kann nicht froh sein nur weil die Sonne aufgeht. Wäre ich auf einem Berg, dann vielleicht…

Diesen Demut habe ich einfach nicht.

Ich glaube die Frage kommt jetzt auf, weil ich mit Enttäuschung feststelle, dass es nach 2,5 Jahren kein bisschen leichter wird, im Gegenteil… Mit mehr Defiziten, Einschrenkungen wird es mir klar, was das für ein schlimmer Schicksal ist.

Wütend und Zornig sein, bedeutet aber nicht, ich würde nicht kämpfen. Aufgeben wäre einfach, aber dieser Weg ist Indiskutabel für mich. Ich glaube ich habe das schon mal erwähnt, ich will das Maximum aus meinen Möglichkeiten machen.

10 Antworten auf „Akzeptieren?“

  1. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Ich habe Respekt vor der Krankheit und ihren Symptomen, akzeptieren muss ich sie aber deshalb noch lange nicht.

    Mit jeder weiteren (körperlichen) Einschränkung trifft es die Psyche ganz genau so – vor allem, weil man weiß, dass es nie mehr anders bzw. wie vor der Krankheit sein wird. Ich falle dann (mal wieder) in ein mehr oder weniger tiefes „Loch“, aus dem ich erst mal rauskommen muss, um weitermachen zu können. Psychotherapie hilft mir dabei ebenfalls nicht.

    Dass diese Krankheit kein einfaches Schicksal ist, ist wahrscheinlich jedem klar, der damit konfrontiert ist. Ich denke aber, es gibt einfach Menschen, die mit einem solchen Schicksal etwas besser klar kommen als andere – warum auch immer.

    Ich habe schon früh aufgehört, mich mit der Krankheit und den möglichen Folgen und meiner Zukunft intensiv zu beschäftigen. Ich lebe nur noch im Hier und Jetzt und packe nur die Probleme an, die gerade eben anstehen. Ich setze mir nur noch kurzfristige und erreichbare Ziele. Das ist meine Methode, damit klar und durch den Tag zu kommen. Bis heute hat’s eigentlich ganz gut funktioniert.

    Alles Gute für Dich und, den Kopf darf man ruhig mal hängen lassen, aber nur für eine kurze Zeit, dann muss es weitergehen. Und irgend wie tut es das dann auch …

    Viele Grüße, Thomas

    1. Danke Thomas, ein gutes Gefühl dass es mir nicht allein so geht. Vor allem deinen letzten Absatz kann ich unterstreichen! Alles Gute Dir! Marta

  2. Hallo Marta,
    ich lese Deinen Blog schon seit geraumer Zeit. Ich bin kein Betroffener oder Angehöriger. Hatte aber mal eine nicht so gute Phase, in der ich mich mit MSA sehr intensiv beschäftigt habe.
    Die Gemütsverfassung „Wut & Zorn“ kann jedoch auch helfen, damit besser klar zu kommen. Weil es Dein innerer Antreiber ist, der sich nicht mit Deiner Situation abfinden lässt. „Wut & Zorn“ mobilisieren Kräfte, die versuchen mit großer Wucht dagegen anzugehen. Nicht aufgeben, das Beste daraus machen und kleine Erfolge innerlich groß feiern. Immer wieder, jeden Tag aufs neue.
    In jedem Fall wünsche ich Dir so lange wie möglich viel „Wut & Zorn“, weil es ein Zeichen von Stärke ist. Und das bist Du: STARK!!!

  3. Hallo Marta, ich habe soeben den Blogeintrag gelesen, finde ich unsere Unterhaltung bei dem Besuch bei dir wieder? Wie gesagt ich habe auch keine Demut in mir bezüglich der Krankheit. Wenn ich ein Ehepaar in unserem Alter spazieren gehen sehe oder eine Frau durch die Stadt schlendern sehe, dann habe ich einfach nur Zorn, was mir mit der Krankheit passiert ist. Ich empfinde einfach nur Neid! Demut steht mir nicht, ich könnte die Leute erschießen. Ich gäbe uch eine Therapeutin, die meinte, ich müsse die Krankheit akzeptieren. Eine andere Therapeutin sage dann, diese Krankheit kann man nicht akzeptieren, dieses Recht hat Und es stimmt, für die Kinder strenge ich mich immer an die mal ich möchte nicht, dass sie mich so krank erleben . Das ist anstrengend und ich bin danach fix und fertig. Gleichzeitig treiben sie mich an, mit der Krankheit fertig zu werden. Durch sie gilt die Devise *Kopf in den Sand stecken gilt nicht* auch wenn ich ihn mal gerne reinstecken würde!

    1. Hallo Manuela, ich habe das Gefühl die Therapeuten wissen oft nichts zu sagen…
      Ich wünsche mir nur dass man nicht als negativer Mensch der aufgegeben hat, abgestempelt wird wenn man einfach nur mies drauf ist. Ich denke solche Gefühle dürfen auch mal sein.
      Halte die Ohren steif!

  4. Liebe Marta,

    auch ich lese immer mal wieder euren Blog. Angefangen habe ich, als mein Vater ins Krankenhaus gekommen ist. Mein Vater hatte leider auch MSA-C und hat bis zum Schluss gegen diese Krankheit gekämpft. Uns als Angehörigen hat diese Krankheit auch ins Mark getroffen. Diese Krankheit stellt nicht nur ein Schicksal für den Betroffenen dar, sondern auch für die Angehörigen.

    Wir können den Verlust und diese Krankheit immer noch nicht akzeptieren, auch weil sie bei meinem Vater leider sehr tragisch verlief.

    Mein Vater hat die Krankheit auch nicht akzeptiert und dachte bis zum Schluss, dass er sie irgendwie besiegen wird. Er war leidenschaftlicher Jogger und hat das Essen geliebt. Es hat ihm das Herz gebrochen, dass er nur noch am Rollator laufen konnte und auch uns hat es das Herz gebrochen.

    Wir als Angehörige schaffen es einfach nicht, eine solch gemeine Krankheit zu akzeptieren. Wie sollen es dann die Betroffenen schaffen? Jeden Tag ist ein Stück von uns gestorben. Jeden Tag haben wir alles verflucht. Immer wieder haben wir uns gefragt, warum es ausgerechnet unseren Vater treffen muss? Er war doch noch so gesund? Er war so sportlich, hat extrem auf sein Essen und seine Gesundheit geachtet. Er war noch nie in seinem Leben im Krankenhaus oder mal ernsthaft krank. Er hatte vielleicht mal eine Erkältung, aber mehr auch nicht. Er hatte noch so viele Pläne… Aus dem nichts wurde er dann mit 73 krank. Alle Ärzte dachten, es sei Parkinson. Aber Levodopa hat nicht geholfen.. dann kam letztes Jahr erst die Diagnose „Verdacht auf MSA-C“. Und dann ging alles plötzlich ganz schnell.

    Diese Krankheit ist auch an uns nicht spurlos vorbei gegangen. Sie hat uns mitten ins Herz getroffen und eine riesige Narbe hinterlassen. Es vergeht kein Tag, an dem wir nicht an ihn denken und weinen. Es vergeht kein Tag, an dem wir diese Krankheit nicht verfluchen.

    Ich denke, man muss sehr kleinschrittig denken und leben. Jeder Tag ist ein Tag. Man muss anfangen für jeden einzelnen Tag zu leben und nicht mehr in Wochen/ Monaten/ Jahren zu planen. Jeder gute Tag ist ein Erfolg. Jeder Erfolg bedeutet Glück. Am Ende, liebe Marta, ist ein jedes Leben endlich. Ich habe gelernt, dass es ein Wunschdenken ist, dass man irgendwann mit Mitte/ Ende 80 friedlich einschläft. Dieses „Glück“ ist leider den wenigsten Menschen vorbehalten.

    Ich wünsche dir alles Liebe und viel Kraft.

  5. Hallo Marta,
    ich denke ich verstehe was du meinst?
    Natürlich haben wir das Recht wütend über unser Schicksal zu sein. Aber was hilft`s?
    Mir fällt es leichter mein Schicksal zu akzeptieren. Ich habe mein Leben in eine Zeit vor der Erkrankung und in ein Leben mit msa unterteilt und da versuche ich halt jetzt das Beste daraus zu machen. So komme ich ganz gut klar mit meiner Situation.
    Mir hilft auch der Austausch mit anderen Betroffenen.
    Therapeuten tun mir dann gut wenn ich das Gefühl habe sie können sich in meine Situation hineinversetzen und empfinden Empathie. Ich brauche keine klugen Ratschläge. Weil mit unserer Krankheit klar zu kommen dafür gibt es nun einmal kein Patentrezept. Jeder verarbeitet es auf seine Weise.
    Liebe Grüße
    Martin

    1. Hallo Martin, jeder hat seinen Weg und seine Art damit umzugehen. Meine muss nicht der beste sein, so ist sie eben. Ich werde nie „akzeptiren“ können…

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