Johanna und die Honigtage

Johanna Haase ist ein positiver Mensch voller Lebensfreude. Das erklärt, warum sie die schlimme Nachricht, an MSA-P erkrankt zu sein, nach dem ersten Schock auch als einen Startschuss empfunden hat: „Jetzt lebe ich mein Leben. Es wird nichts mehr nach hinten geschoben“, betont die Badenserin gegenüber Reporterin Franziska Heck. Und: „Seit der Diagnose versuche ich mich weniger über Dinge aufzuregen. Das ist Verschwendung meiner kostbaren Zeit.“

Liebe Hobbies, wie Angeln oder Pilze sammeln, musste sie zwar aufgeben – dazu fehlen Kraft und Standfestigkeit. Eine Folge der aggressiven Parkinson-Variante. Trotzdem hat sie noch viel vor: Ballonfahrt, Segelflug, Kreuzfahrt und eine Reise nach Ägypten. Möglichst viel Zeit mit ihren Liebsten verbringen ist dabei das wichtigste für sie. Und ihren 60. Geburtstag hat sie richtig groß gefeiert. „Das war die Party meines Lebens!“.  Das war zum Glück keiner dieser „Honigtage“, erzählt die gelernte Krankenschwester. An „Honigtagen“ gehe alles nur in Zeitlupe: Bewegungen, Denken, Sprechen. Da dauere das Kaffeetrinken ewig: „Da denke ich manchmal, der wird kalt, bis ich den ersten Schluck nehme.“

Johanna hat sich ihren Humor bewahrt, aber sie ist kein Mensch, der die Augen vor der Realität verschließt. Sie weiß, was auf sie zukommt und lebt bewusster. „Das ist ein tolles Gefühl. Man kommt bei sich selbst an.“

 

Text: Ute Rentmeister

Quellen: Johanna Haase, Mittelbadische Zeitung

Foto: Johanna Haase

3 Antworten auf „Johanna und die Honigtage“

  1. Mich begeistert die Kraft in diesem neuen Plan des Lebens, das sprudelt und schäumt, als sei Johanna durch die Diagnose quasi entkorkt worden wie eine Flasche Champagner. Wenn Sie es schaffen, Frau Haase, Enttäuschungen in Energie zu verwandeln und sich keinesfalls zu grämen, wenn ein Vorhaben nicht funktioniert, dann ist dies ein gesundes Wollen.

    Als ebenfalls umtriebiger MSAler habe ich erleben müssen, wie rasend schnell Können und Überforderungen dem Wollen und Wünschen immer engere Grenzen setzen. Bereut habe ich keinen Versuch, auch wenn er mehrere Tage heftigste Folgen brachte und Nächte, nach denen ich nicht mehr aufwachen wollte.

    Meine Erfahrung ist inzwischen, dass es nicht die ganz großen Unternehmungen sind, die mir gut tun, sondern verkraftbare, die ich dafür regelmäßig schaffe – aktiv und keinesfalls mit Auto, Bahn oder Bus. Das starke Gefühl kommt aus meiner Sicht nur, wenn man sich dafür anstrengt. Es ist ein Dialog, in dem der Körper dem Gehirn sagt, welche Bedürfnisse er hat, was vor Allem das autonome Nervensystem zu trainieren scheint. Regelmäßig, weil das MSA-Hirn den Körper irrsinnig schnell vergisst.

    Ich wünsche Ihnen sehr viel Glück und Honigtage, an denen der Honig nicht zäh sein möge.

  2. Hallo Martin,
    Ganz lieben Dank für deine lieben Worte.
    Ja, ich habe es tatsächlich so empfunden als beginne mein wahres Leben erst jetzt, wo mir quasi die Zeit davon läuft. Ich lebe jetzt viel bewusster, kann mich an Kleinigkeiten erfreuen, die ich früher nicht wahrgenommen oder für selbstverständlich gehalten habe. Ich habe direkt nach der Diagnosestellung aufgehört zu arbeiten und gesagt, die letzten Jahre, in denen ich mich noch bewegen kann gehören mir. Jetzt wird nichts mehr nach hinten verschoben.
    Und….ja….auch ich muss erleben dass dem Umsetzen meiner Wünsche, die noch auf meiner Bucket Liste stehen, immer engere Grenzen gesetzt werden.
    Ich habe 2 Möglichkeiten: 1. ich kann den Kopf hängen lassen, mich einigeln, mich ärgern und grämen…2. Ich kann den Fokus auf das legen was noch geht und daraus schöne und tiefgehende Situationen und Eelebnisse schaffen.
    Was den Champagner betrifft…kurz nach meiner Diagnose hat ein sehr lieber Mitpatient in der Klinik zu mir gesagt: “ Humor ist der Champagner des Lebens“…ich liebe den Champagner des Lebens…:-) …ohne ihn und über mich selbst lachen zu können wäre alles noch schlimmer als es so schon ist….

  3. Guten Tag , mein Bruder ist an der selben Krankheit erkrankt. Er kämpft jeden Tag und gibt sein bestes .
    Wünsche ihnen viel Kraft .
    Wie lange begleitet sie die Krankheit schon ?
    Würde mich über eine Antwort sehr freuen .

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert